Um den Bedarf Europas an grünem Wasserstoff zu decken, setzen Politik und Wirtschaft auf dessen Produktion in Afrika. Eine von der Technischen Universität München (TUM) geleitete Studie zeigt jedoch, dass die Finanzierungskosten für Produktionsanlagen in afrikanischen Staaten deutlich höher sind als bisher angenommen. Lediglich zwei Prozent der rund 10.000 untersuchten Standorte könnten für den Export nach Europa wettbewerbsfähig sein. Diese rund 200 Standorte befinden sich in Algerien, Kenia, Mauretanien, Marokko, Namibia und dem Sudan. Allerdings konnten in der Studie nur nationale Sicherheitsrisiken berücksichtigt werden. Da viele ansonsten optimale Standorte in unsicheren Regionen liegen, könnte sich die Zahl der infrage kommenden Standorte weiter reduzieren.
Kostentreiber sind vor allem die hohen Zinsen, die nach Erfahrung der TUM oft zu niedrig angesetzt werden. Die Berechnungen des Forschungsteams ergaben, dass die Betreiber afrikanischer Wasserstoffproduktionen im aktuellen Zinsumfeld zwischen acht und 27 Prozent Zinsen auf ihre Finanzierungen zahlen müssten. Die meisten bisherigen Modelle gingen lediglich von vier bis acht Prozent aus. Müssten die Betreiber das Investitionsrisiko bei einem realistischen Zinsniveau allein tragen, läge der niedrigste mögliche Preis für ein Kilogramm Wasserstoff auf dem Kontinent bei knapp fünf Euro. Würden die europäischen Staaten Garantien geben und würde das Zinsniveau sinken, würde sich der niedrigste mögliche Preis auf gut drei Euro reduzieren. Selbst unter diesen äußerst günstigen Voraussetzungen stünden afrikanische Staaten in harter Konkurrenz zu anderen Regionen, so die Forscher. So lag beispielsweise bei einer Auktion der Europäischen Wasserstoffbank, bei der 2024 Subventionen für Grünstromprojekte in Europa vergeben wurden, der niedrigste Preis eines erfolgreichen Gebots bei unter drei Euro pro Kilogramm.
»Grünen Wasserstoff in Afrika für den Export nach Europa zu produzieren, ist deutlich teurer als angenommen«, sagt Stephanie Hirmer, Professorin für Climate Compatible Growth an der University of Oxford und Mitautorin der Studie. »Die sozio-politischen Risiken wurden bislang nicht ausreichend in die Kalkulationen einbezogen.«
»Afrikanische Produktionsstandorte können für den Export nach Europa nur dann wettbewerbsfähig werden, wenn die europäischen Staaten garantieren, dass sie bestimmte Mengen Grünen Wasserstoffs zu festgelegten Preisen abnehmen«, sagt Florian Egli, Professor für Public Policy for the Green Transition an der TUM. »Darüber hinaus würden Kreditausfallgarantien helfen, die beispielsweise die Weltbank gewähren könnte. Nur mit solchen politischen Instrumenten kann der Afrika-Europa-Handel mit Grünem Wasserstoff etabliert werden, sodass im weiteren Verlauf die Kosten möglicherweise sinken.«
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